Bas erinnert zum Holocaust-Gedenktag an queere NS-Opfer

Bas erinnert zum Holocaust-Gedenktag an queere NS-Opfer

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) während der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin (dpa) - Anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktag hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zum Gedenken an die Menschen aufgerufen, die in der NS-Zeit wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt und ermordet wurden. „Wer nicht den nationalsozialistischen Normen entsprach, lebte in Angst und Misstrauen“, sagte die SPD-Politikerin bei einer Gedenkstunde im Bundestag am Freitag. „Am härtesten traf es die vielen Tausend Frauen und Männer, die aufgrund ihrer Sexualität - teils unter Vorwänden - in Konzentrationslager deportiert wurden.“

Viele dieser Menschen waren allgegenwärtiger Gewalt demnach ungeschützt ausgesetzt. „Viele wurden für medizinische Experimente missbraucht“, sagte Bas. „Die meisten kamen schon nach kurzer Zeit um oder wurden ermordet.“ Es sei die Aufgabe jeder Generation, sich von Neuem mit den Verbrechen der Geschichte auseinanderzusetzen und die Geschichte aller Verfolgten zu erzählen. Auf die Anerkennung als Opfer der Nationalsozialisten hätten sexuelle Minderheiten lange vergebens gewartet.

Auch mit Blick auf die heutige Zeit mahnte Bas, bei Diskriminierungen queerer Menschen genauer hinzusehen. „Queer-feindliche Straftaten nehmen zu“, sagte die SPD-Politikerin. „Schwule, Lesben und Trans-Personen werden beleidigt, bedrängt und angegriffen.“

Die Holocaust-Überlebende Rozette Kats rief dazu auf, alle Opfergruppen des Nationalsozialismus gleichermaßen anzuerkennen. „Jeder Mensch, der damals verfolgt wurde, verdient achtungsvolle Erinnerung“, sagte die 80 Jahre alte Niederländerin bei einer Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus. In ihrer emotionalen Rede bezog sich Kats unter anderem auf Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von den Nationalsozialisten verfolgt wurden und im Mittelpunkt der Gedenkfeier standen. Unter anderem Homosexuelle wurden von den Nazis massiv verfolgt nach Gesetzen, die noch lange Jahrzehnte auch in der Bundesrepublik galten.

Kats zufolge war es bei vergangenen Gedenkveranstaltungen jedoch teilweise unerwünscht, an homosexuelle Opfer zu erinnern. Sie halte das für falsch. „Wenn bestimmte Opfergruppen gar als weniger wertvoll als andere angesehen werden, dann bedeutet das am Ende nur eins - dass die nationalsozialistische Ideologie weiterlebt und leider bis heute weiterwirkt“, mahnte die sichtlich bewegte 80-Jährige.

Kats wurde 1942 in einer jüdischen Familie geboren und überlebte den Holocaust bei einem Ehepaar in Amsterdam, bei dem sie unter falscher Identität aufwuchs. Ihre leibliche Familie wurde in Auschwitz ermordet. Auch wenn sie selbst keiner sexuellen Minderheit angehöre, kenne sie das Gefühl, sich verstecken und anpassen zu müssen, um nicht anzuecken, sagte die Niederländerin. Aus Angst habe sie ihre jüdische Identität ihr halbes Leben lang versteckt gehalten. „Unbewusst habe ich damals beschlossen: Wenn ich mich nur gut anpasse und nicht weiterfrage, wird mir schon nichts geschehen.“

Der 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Er ist der Jahrestag der Befreiung der Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz 1945 durch Soldaten der Roten Armee.

© dpa-infocom, dpa:230127-99-376055/5