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Christchurch-Bluttat: Diplomatischer Ärger nach Erdogan-Rede

Terrorismus

Mittwoch, 20. März 2019 - 12:40 Uhr

von dpa

Winston Peters, Außenminister von Neuseeland, reist nach umstrittenen Äußerungen von Präsident Erdogan in die Türkei. Foto: Achmad Ibrahim/AP

Istanbul/Christchurch (dpa) - Immer noch müssen die Menschen in Christchurch darauf warten, Abschied von den Opfern des Massakers nehmen zu dürfen. Am Freitag will Neuseeland zwei Schweigeminuten einlegen. Es gibt aber auch diplomatischen Ärger.

Neuseelands Vize-Premierminister Winston Peters reist in die Türkei, um nach umstrittenen Bemerkungen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan „Missverständnisse aus dem Weg zu räumen“.

Hintergrund sind scharfe innenpolitische Reden von Erdogan nach den Angriffen auf zwei Moscheen in Christchurch mit mindestens 50 Toten vor fünf Tagen.

Erdogan hatte am Dienstag in einer Wahlkampfrede gesagt, dass der Todesschütze nach der Rechtslage in Neuseeland nicht mehr als 15 Jahre absitzen könnte. „Wie billig doch ein Menschenleben ist“, sagte er. Er forderte Neuseeland auf, die Gesetze zu ändern und „solchen Mördern kein Recht auf Leben einzuräumen“. Wenn Neuseeland ihn nicht zur Rechenschaft ziehe, werde die Türkei es tun. Erdogan hatte zuvor mehrfach die „Islamophobie“ des Westens kritisiert.

Kritik hatte Erdogan auch für Bemerkungen aus einer Rede vom Montag erhalten. Da hatte er gewarnt, dass Australier und Neuseeländer mit antimuslimischer Gesinnung das gleiche Schicksal erleiden könnten wie Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gegen das Osmanische Reich gekämpft hatten. Australien hatte deshalb am Mittwoch den türkischen Botschafter einbestellt.

Winston Peters, der auch Neuseelands Außenminister ist, werde in der Türkei „auf unverblümte Art und Weise“ deutlich machen, dass die muslimische Gemeinde in Neuseeland „die Unterstützung aller Neuseeländer“ habe, sagte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. Was geschehen sei, sei in Neuseeland noch nie dagewesen. Der Zeitung „NZ Herald“ zufolge wird er zuerst nach Indonesien reisen. Wann genau er in der Türkei ankommen wird und wen er treffen wird, blieb zunächst unklar.

Fünf Tage nach dem Anschlag sind unterdessen die ersten Todesopfer beigesetzt worden. Dabei handelte es sich um einen Vater und seinen Sohn, die erst vor wenigen Monaten als Flüchtlinge aus Syrien nach Christchurch gekommen waren.

Die beiden Syrer wurden auf einem Friedhof beigesetzt, der sich nur einen Kilometer entfernt von einer der beiden Moscheen befindet. Im Islam ist es eigentlich üblich, Tote innerhalb von 24 Stunden zu beerdigen. Wegen der kriminaltechnischen Ermittlungen müssen die Familien auf die Freigabe der Leichen jedoch viel länger warten als üblich. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind alle 50 Todesopfer Muslime. Der mutmaßliche Täter - ein 28 Jahre alter Rechtsextremist aus Australien - sitzt in Untersuchungshaft.

Premierministerin Ardern bat die Hinterbliebenen um weitere Geduld. „Ich weiß, wie schwierig und frustrierend langsam das aus Sicht der Familien ist“, sagte sie bei einem weiteren Besuch in Christchurch. Noch 29 Verletzte wurden in verschiedenen Krankenhäusern behandelt. Unter den acht Menschen, die noch in „kritischem Zustand“ sind, ist auch ein vierjähriges Mädchen.

Eine Woche nach der Tat will Neuseeland am Freitag zwei Schweigeminuten einlegen. Zur Tatzeit soll das ganze Land stillstehen. Ardern kündigte auch an, dass es zu einem späteren Zeitpunkt in Christchurch eine nationale Trauerfeier geben soll. Für die Hinterbliebenen sind inzwischen mehr als fünf Millionen Euro auf einem Spendenkonto eingegangen.

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