Politik Inland

Drohungen und Tötungsaufrufe von Corona-Leugnern nehmen zu

Mittwoch, 5. Januar 2022 - 16:31 Uhr

von dpa

Berlin (dpa) - Todesdrohungen gegen Ministerpräsidenten. Ein Soldat sagt über Politiker, man werde ihre „Leichen auf den Feldern verstreuen“. Gegner der Corona-Maßnahmen haben sich offenbar weiter radikalisiert. In einigen Foren von Impfgegnern und Corona-Leugnern ist der Ton seit dem vergangenen Herbst radikaler geworden - es gibt sogar vermehrt Tötungsaufrufe.

Bei einer Recherche in Telegram-Chaträumen seien seit Mitte November 250 Tötungsaufrufe gefunden worden, berichtete am Mittwoch „tagesschau.de“. Diese richteten sich unter anderem gegen Politiker, Wissenschaftler, Ärzte und Journalisten.

Dies deckt sich mit Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden. Seit dem Herbst sei hier eine Zunahme zu beobachten, hieß es. Telegram sei nach wie vor der wichtigste Kanal für die Verbreitung solcher Äußerungen, die in den Chats in der Regel unwidersprochen blieben.

Wenig Handhabe der Behörden gegen den Plattformbetreiber

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, hart und entschlossen gegen Absender von Mord- und Gewaltaufrufen bei Telegram vorzugehen. „Wir Journalistinnen und Journalisten erleben die Anfeindungen aus dem Lager von Impfgegnern und Corona-Leugnern tagtäglich“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Mittwoch.

Faeser hatte dem ARD-Hauptstadtstudio mit Blick auf Protestaktionen von Gegnern der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung am Dienstag gesagt: „Es gilt natürlich das Versammlungsrecht. Und ich bin sicher, dass die Sicherheitsbehörden das auch überall umsetzen“. Das bedeute, dass eine Versammlung aufgelöst werde, wenn sie nicht angemeldet sei. „Und wenn Gewalt passiert, dann wird natürlich durchgegriffen.“ Bedrohungen und Gewalt könnten nicht hingenommen werden. „Wenn Menschen radikal werden und ausfallend werden, dann finde ich, ist eine Grenze erreicht. Dann muss der Rechtsstaat auch mit aller Härte durchgreifen.“

Bemühungen der Bundesregierung, den Betreiber der Plattform in die Pflicht zu nehmen, laufen bislang ins Leere. „Wir sind da wirklich dabei, das weiter voran zu treiben“, sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Das Bundesamt für Justiz hatte 2021 zwei Bußgeldverfahren gegen Telegram eingeleitet, das seinen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat. Grund war laut Ministerium, dass Möglichkeiten zur Beschwerde über strafbare Inhalte nicht leicht erkennbar und erreichbar seien.

Anwälte warnen: Freiheiten im Netz wahren

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, wies darauf hin, dass die Polizeibehörden bei Gewaltaufrufen und Drohungen in sozialen Netzwerken nicht nur auf die Anbieter schauten, sondern auch versuchten, die Identität derjenigen, die so etwas äußerten, festzustellen. Das münde zwar nicht immer in Festnahmen, sei aber die Voraussetzung für eine Strafverfolgung.

Der Deutsche Anwaltverein warnte unterdessen davor, rechtsstaatliche Grundsätze aufzugeben, nur weil ein gewünschter politischer Zweck verfolgt werde. „Auch beim Kampf gegen Rechts, demokratiefeindliche Verschwörungsideologien, Reichsbürger und sich radikalisierende Querdenker dürfen wir rechtsstaatliche Grundsätze nicht über Bord werfen“, sagte Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge. Es sei richtig, denjenigen Einhalt zu gebieten, die gegen die Demokratie, das Grundgesetz und eine aufgeklärte, pluralistische Gesellschaft agierten. Das dürfe jedoch nicht dazu verführen, Freiheiten infrage zu stellen.

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