Gericht: Deutschland muss Flüchtling zurückholen

Gericht: Deutschland muss Flüchtling zurückholen

Ein Mann betritt das Verwaltungsgericht München. Foto: Tobias Hase

München (dpa) - Der Plan von Horst Seehofer war: Flüchtlinge werden direkt an der Grenze zu Deutschland gestoppt und in das Land geschickt, in dem sie zuerst in der EU Asyl beantragt haben. Doch so einfach ist das nicht, wie jetzt ein Gerichtsbeschluss aus München zeigt.

Gut ein Jahr nach Abschluss des Rücknahme-Abkommens von Flüchtlingen zwischen Deutschland und Griechenland schiebt ein Gericht der neuen Praxis einen Riegel vor.

Die Bundesrepublik muss einen an der Grenze gestoppten und direkt nach Griechenland gebrachten Asylsuchenden laut einem Beschluss umgehend zurückholen. Nach Angaben der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl ist es die erste gerichtliche Entscheidung dieser Art.

Dass die Bundespolizeidirektion München dem Mann die Einreise nach Deutschland verweigert hatte und ihn per Flugzeug ruckzuck wieder nach Griechenland brachte, stelle hoheitliche Eingriffe in subjektive Rechte dar und sei „voraussichtlich als rechtswidrig anzusehen“, erklärte das Verwaltungsgericht München in einem Beschluss vom 8. August (Az.: M 18 E 19.32238). Die Kosten für die Rückführung nach Deutschland muss die Bundesrepublik übernehmen. Sie kann den Beschluss nach Gerichtsangaben nicht anfechten.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte mit Spanien und Griechenland vereinbart, dass beide Länder binnen 48 Stunden jene Migranten zurücknehmen sollen, die an der deutschen Grenze aufgegriffen werden, obwohl sie schon in Spanien oder Griechenland einen Asylantrag gestellt haben. Die Absprache mit Spanien trat am 11. August 2018 in Kraft, jene mit Griechenland am 18. August.

Im Schnitt musste seither nicht einmal ein Migrant pro Woche die Bundesrepublik auf Grundlage dieser Vereinbarungen wieder verlassen. Da es nur an der bayerisch-österreichischen Grenze punktuelle Kontrollen gibt, hatten Kritiker von vornherein erwartet, dass nur wenige Menschen von der neuen Regelung betroffen sein würden. Ein ähnliches Abkommen mit Italien wurde von Rom nicht unterschrieben.

Nach Darstellung von Pro Asyl betrifft der Fall einen afghanischen Schutzsuchenden, den die Bundespolizei im Mai nach Übertritt der deutsch-österreichischen Grenze in einem Zug aufgegriffen hatte. Der Betroffene sei aber weiterhin in Griechenland in Abschiebungshaft, teilte die Organisation mit. Von der Bundespolizeidirektion München als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland lag zunächst keine Stellungnahme vor. Das Gericht selbst kann zum Vollzug des Beschlusses, sprich der Rückholung des Menschen, nichts sagen.

Das Gericht hat dem Beschluss zufolge „erhebliche Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit und der Existenz“ eines Prozederes entgegen dem sogenannten Dublin-Verfahren, wonach Asylbewerber in dem Land zu registrieren sind, in dem sie die Europäische Union betreten hatten. Auch sei mit der Entscheidung der Bundespolizei eine Prüfung des Falls durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeblieben.

Generell stellt das Gericht infrage, ob die Bundespolizei überhaupt zuständig ist für Rückführungen nach Griechenland als nicht an Deutschland grenzender Staat. Entsprechend seien die Zuständigkeiten per Verordnung geregelt. „Diese Regelung ist auch sinnvoll, weil die Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-Verordnung eine komplexe Materie darstellt, die von Nicht-Juristen bzw. darin ungeschulten Personen im Rahmen eines auf höchste Geschwindigkeit ausgelegten Einreiseverweigerungs- und Zurückschiebungsverfahren(s), nicht ausreichend geprüft werden können“, heißt es in dem Beschluss.

Die Leiterin der Abteilung Rechtspolitik bei Pro Asyl, Bellinda Bartolucci, teilte dazu am Mittwoch mit: „Die Entscheidung zeigt, dass geltendes Recht nicht durch abstruse Wunschvorstellungen umgangen werden kann. Europarecht gilt auch an deutschen Grenzen.“