Über 40 Verletzte und Zerstörungen durch Tornados in Städten

Über 40 Verletzte und Zerstörungen durch Tornados in Städten

Ein beschädigtes Auto steht in den Trümmern eines abgedeckten Hauses. Foto: Lino Mirgeler/dpa/Archivbild

Paderborn (dpa/lnw) - Gefährliche Tornados haben im Osten von Nordrhein-Westfalen massive Zerstörungen angerichtet. Allein in Paderborn sind bei dem heftigen Unwetter am Freitag mehr als 40 Menschen verletzt worden. Darunter sind nach Angaben der Stadt 13 Schwerverletzte. Eine Frau schwebt laut Polizei weiter in Lebensgefahr. Auch in Lippstadt im Kreis Soest und im Kreis Höxter bildeten sich Tornados, bestätigte der Deutsche Wetterdienst. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums sind landesweit mehr als 7500 Einsatzkräfte ausgerückt, um nach dem Unwetter Menschen zu retten oder aus einer Notlage zu befreien und Schäden zu beseitigen.

Der Tornado in Paderborn hat nach Schilderung der örtlichen Behörden eine etwa 300 Meter breite und fünf Kilometer lange Schneise der Verwüstung quer durch die Großstadt angerichtet. „Es ist ein unvorstellbares Bild gewesen und ist es nach wie vor“, sagte Bürgermeister Michael Dreier (CDU) am Samstag. Er berichtete von Bäumen und Ampeln, die wie Streichhölzer umgeknickt worden seien. Leitplanken seien wie Papierschnipsel durch die Luft geflogen. Aufgewirbelte Dachziegel hätten sich in die Fassaden benachbarter Häuser „gefressen“. Außerdem gingen viele Scheiben zu Bruch. Wohnungen seien zunächst unbewohnbar, Betriebe seien zerstört.

Die Behörden in Paderborn haben nach dem Durchzug des Tornados die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gelobt. Doch es gab auch Kritik an Bürgerinnen und Bürgern, die Aufräum- und Rettungsarbeiten behindert hätten. „Die Bereitschaft der Menschen zu helfen war immens“, schilderte der Leitende Polizeidirektor von Paderborn, Ulrich Ettler. „Es gab leider auch einige Bürger, die so dreist waren, Absperrbänder zu missachten und die Arbeit der Rettungskräfte zu behindern.“ Es sei immer wieder vorgekommen, dass einzelne die Absperrungen durchbrechen wollten. Die Aufräumarbeiten würden noch einige Zeit in Anspruch nehmen: „Ich kann nur nochmal appellieren: Halten Sie sich an die Absperrungen, halten Sie Rettungswege frei.“

Auch das Hauptdienstgebäude der Polizei in Paderborn wurde nach Angaben Ettlers schwer beschädigt. „Das Dienstgebäude liegt im Zentrum der zerstörerischen Schneise. Dieser Tornado hat uns direkt erwischt. Es gibt dort eine Vielzahl abgeknickter Bäume. Ein Dach des Polizeipräsidiums ist abgedeckt worden.“ Ein Polizist wurde bei einem Einsatz leicht verletzt, als er mit Kollegen zwei Menschen aus einem eingeklemmten Fahrzeug retten wollte. Ein Baum krachte durch die Windschutzscheibe eines Feuerwehrlöschfahrzeugs, wobei die beiden Insassen unverletzt geblieben seien. Nach Angaben des Bürgermeisters stürzten an anderer Stelle in Paderborn am Freitag Bäume auf einen Bus. Dabei sei glücklicherweise kein Mensch schwer verletzt worden.

Bei einem Tornado in Lippstadt gab es nach Informationen der Polizeibehörden des Kreises Soest wohl keine Verletzten. Es liege keine Verletztenmeldung vor, sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. Es liefen weiter Aufräumarbeiten in Lippstadt. „Nach so einem Chaos muss alles aufgeräumt werden“, sagte er und fügte hinzu: „Es sind viele Einsatzkräfte unterwegs gewesen und sind auch noch unterwegs.“ Es gehe vor allem um Schäden an Dächern und Bäumen, die am Freitag entstanden seien. In der Innenstadt von Lippstadt seien auch Bereiche sicherheitshalber noch abgesperrt gewesen.

Auch im Kreis Höxter hat Sturmtief Emmelinde nach Angaben der Kreisverwaltung schwere Schäden hinterlassen. Die Behörde verwies in einer Mitteilung am Samstag auf schwere Schäden unter anderem im Ortsteil Lütmarsen der Stadt Höxter. Um die Aufräumarbeiten dort nicht zu beeinträchtigen und den Verkehr in der Gemeinde möglichst gering zu halten, sei in Abstimmung mit der Feuerwehr der Stadt Höxter eindringlich darum gebeten worden, am Samstag nicht zur Impfstelle des Kreises in Lütmarsen zu kommen. Der Deutsche Wetterdienst hatte für Lütmarsen einen Tornadoverdacht bestätigt.

Der DWD bestätigte am Samstag insgesamt drei Tornadoverdachtsfälle in NRW. Demnach sind in Paderborn, Lippstadt und Lütmarsen, einem Ortsteil der Stadt Höxter, Tornados aufgetreten. Es habe auch noch weitere Tornado-Verdachtsmeldungen für Ratingen bei Düsseldorf und aus dem Sauerland gegeben, die aber noch geprüft werden müssten. Die drei bestätigten Tornados hätten sich in Zusammenhang mit besonders kräftigen Gewittern gebildet, erläuterte ein DWD-Sprecher. Sie seien kleinräumig aufgetreten. Zu den Windgeschwindigkeiten machte er noch keine Angaben. Es habe auch Niederschläge von teilweise 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit während der Unwetter gegeben. Die Gewitter seien aber relativ schnell durchgezogen. An manchen Stellen ist nach Auskunft des DWD auch Hagel niedergegangen.

Ministerpräsident Hendrik Wüst und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) wollen sich laut Staatskanzlei am Samstagnachmittag persönlich ein Bild von den Zerstörungen machen. Wüst will demnach Lippstadt und Paderborn besuchen. Auch Reul wird demnach Paderborn besuchen. „Mehr als 7500 Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen haben in den vergangenen 48 Stunden landesweit einmal mehr alles gegeben, um noch Schlimmeres zu verhindern“, sagte Reul am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Für ihren beherzten Einsatz sei er den Kräften außerordentlich dankbar. Die Zerstörung, die die Tornados in Lippstadt und Paderborn hinterlassen haben, machten ihn traurig.

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat seine Bestürzung über die vielen Verletzten und Zerstörungen durch Tornados geäußert. „Über das Ausmaß des schweren Unwetters am gestrigen Nachmittag und Abend, das neben der Kernstadt von Paderborn viele weitere Gebiete im Erzbistum betraf, bin ich tief bestürzt“, erklärte er am Samstag und verwies dabei auf die über 40 Verletzten. „Viele Menschen haben zudem Ängste ausgestanden und Schäden an Wohnraum, Hab und Gut erlitten“, betonte der Erzbischof. Auch viele kirchliche Gebäude im Erzbistum Paderborn seien von Auswirkungen des extremen Unwetters betroffen.

© dpa-infocom, dpa:220521-99-376196/4