Bundesbankpräsident: Tiefpunkt der Krise überwunden

Bundesbankpräsident: Tiefpunkt der Krise überwunden

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht die deutsche Wirtschaft auf einem guten Weg. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Frankfurt/Main (dpa) - Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft mit Wucht getroffen. Inzwischen scheint das Schlimmste überstanden - meint nicht nur der Bundesbank-Präsident.

Die deutsche Wirtschaft erholt sich nach Einschätzung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann allmählich von den Folgen der Corona-Krise.

„Wir haben in den vergangenen Monaten den schärfsten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der Bundesrepublik erlebt“, sagte Weidmann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Die gute Nachricht ist: Der Tiefpunkt dürfte mittlerweile hinter uns liegen, und es geht wieder aufwärts.“ Allerdings folge auf den scharfen Einbruch der deutschen Wirtschaft nur eine „vergleichsweise allmähliche Erholung“.

Viele Volkswirte, Institute und Verbände äußerten sich zuletzt zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft bereits im kommenden Jahr wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren wird - auch, weil der Staat milliardenschwere Rettungspakete geschnürt hat. Im laufenden Jahr jedoch droht Europas größter Volkswirtschaft die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Die meisten Konjunkturprognosen bewegten sich zuletzt in einem Bereich von minus sieben bis minus zehn Prozent für die Wirtschaftsleistung 2020. An diesem Dienstag (23. Juni) veröffentlichen die „Wirtschaftsweisen“ ihre überarbeitete Prognose.

Weidmann betonte, dass der Staat für den Fall einer Insolvenzwelle im Herbst genügend Spielraum habe, um die Wirtschaft erneut zu unterstützen. „Die Politik hat in einem schwierigen Umfeld schnell und beherzt reagiert, um Unternehmen und Beschäftigte zu schützen. Das war richtig.“ Der Bundesbank-Präsident warnte jedoch davor, sich an die hohe Schuldenaufnahme zu gewöhnen.

Auch die Geldpolitik müsse nach der notwendigen Intervention in der aktuellen Krise auf ein Normalmaß zurückgeführt werden. „Wir müssen auch in der Geldpolitik darauf achten, dass wir rechtzeitig wieder umsteuern, um nicht über das Ziel hinauszuschießen“, forderte Weidmann. „Die Geldpolitik darf nicht den Eindruck entstehen lassen, dass sie Investoren raushaut, sobald es kriselt, und die Zügel anschließend zu zaghaft strafft.“ Die expansive Geldpolitik dürfe „nicht zum Normalzustand werden“.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Anfang Juni ihr im März aufgelegtes Notkaufprogramm für Anleihen in der Corona-Krise um 600 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro fast verdoppelt. Zudem verlängerten die Währungshüter die Mindestlaufzeit des Programms um ein halbes Jahr bis Ende Juni 2021. Die Notenbank kauft im Rahmen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) verschiedene Arten von Wertpapieren, hauptsächlich Staatsanleihen der Euroländer.

Hauptziel der Währungshüter ist ein stabiles Preisniveau im Euroraum mit seinen 19 Staaten. Dies sieht die EZB mittelfristig bei einer Jahresteuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent gewährleistet - weit genug entfernt von der Nullmarke. Dauerhaft niedrige oder auf breiter Front sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Wirtschaft bremsen.

Fallende Energiepreise drückten die Inflation im Euroraum im Mai weiter in Richtung Nulllinie. Nach Zahlen des Statistikamtes Eurostat lagen die Verbraucherpreise in dem Monat nur noch um 0,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Das ist die niedrigste Inflationsrate seit Juni 2016. In Deutschland lag die Teuerungsrate im Mai mit 0,6 Prozent ebenfalls auf dem tiefsten Stand seit fast vier Jahren.

Weidmann rechnet nicht damit, dass die Preise in diesem Jahr steigen werden. „Wenn weniger produziert wird, weil die Betriebe auf Anordnung runterfahren mussten oder die globalen Lieferketten unterbrochen wurden, treibt das die Preise tendenziell nach oben“, sagte der Bundesbank-Präsident. „Gleichzeitig bleiben die Verbraucher eher zu Hause, und wir beobachten einen Rückgang der Nachfrage in manchen Bereichen, etwa bei der Bekleidung. Das hat einen preissenkenden Effekt.“

Wenn zum Januar die Mehrwertsteuer, die zum 1. Juli für ein halbes Jahr von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent gesenkt wird, wieder auf ihren alten Satz erhöht wird, werde die Teuerungsrate wieder nach oben ziehen, sagte Weidmann.