Wirtschaft

Homeoffice: Heil nimmt Arbeitgeber in die Pflicht

Mittwoch, 20. Januar 2021 - 09:51 Uhr

von dpa

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, will beim Thema Homeoffice die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin (dpa) - Sind Arbeitsplätze Corona-Hotspots? Für Ärztefunktionär Montgomery eindeutig ja. Arbeitgeber seien mit dafür verantwortlich, dass die Infektionszahlen in die Höhe geschnellt sind. Der Rückzug vom Arbeitsplatz ins Homeoffice soll ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Corona-Pandemie werden. Nach dem Willen von Bund und Ländern müssen Arbeitgeber dies überall dort möglich machen, wo es die Tätigkeiten zulassen.

Dadurch sollen Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit reduziert werden. Details der geplanten Vorgaben will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch (11.00 Uhr) vorstellen.

In der entsprechenden Verordnung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, Arbeitgeber hätten Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstünden. Das Ministerium spricht in den Erläuterungen zur Verordnung von einer „Pflicht“, Homeoffice anzubieten, „soweit dies nach den betrieblichen Gegebenheiten möglich ist“.

Heil warnte am Dienstagabend bei „Bild live“ Arbeitgeber davor, die Möglichkeit zum Homeoffice willkürlich zu verneinen und kündigte Kontrollen an. „Sie müssen klar sagen, wo es geht - und auch, wo es nicht geht. Wo es möglich ist, sollen sie es ermöglichen, und das wird im Zweifelsfall auch von Arbeitsschutzbehörden überprüft.“ Für die Beschäftigten besteht laut Ministerium keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung eines Homeoffice-Angebots.

Kontrollen oder Sanktionen bei der Einhaltung der Homeoffice-Regelungen werden nach Meinung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber „nur ganz selten“ gebraucht werden. „Wir wollen kein bürokratisches Gebilde, sondern wir wollen erreichen, dass es flexibel im Interesse der Betriebe und Arbeitnehmer funktioniert“, sagt er im ARD-„Morgenmagazin“ am Mittwoch. Es müssten so wenig Menschen wie möglich im öffentlichen Nahverkehr oder auf den Straßen sein. „Wir müssen soziale Kontakte reduzieren“, so Altmaier. „Wir wollen so wenig staatliche Regulierungen wie möglich.“

Ein Zwang zum Arbeiten in den eigenen vier Wänden ist allerdings umstritten. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte im Radiosender WDR 5, das Ziel, den Homeoffice-Anteil an der Belegschaft zu erhöhen, sei zwar richtig, der Weg über eine Verordnung sei aber falsch. Die von Heil vorgelegte Regelung sei ein „Bürokratiemonster“. Pinkwart wies darauf hin, dass Unternehmen seit dem Ausbruch der Pandemie mit Hygienekonzepten und mit geteilten Teams, die wechselnd zu Hause und im Unternehmen im Einsatz waren, „hervorragend gearbeitet“ hätten. Ähnlich hatten Unternehmerverbände in der seit Wochen laufenden Homeoffice-Debatte argumentiert - und sich stets gegen eine Pflicht zur Arbeit zu Hause gesperrt.

Für Ärztefunktionär Frank Ulrich Montgomery ist eine solche Pflicht aber nun dringend geboten. „Es ist gut, dass die Arbeitgeber jetzt per Verordnung zu mehr Homeoffice-Angeboten gebracht werden sollen“, sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). „In dieser zweiten Welle wurden noch viel zu viele Büros offengelassen. Es gab sogar Unabkömmlichkeitserklärungen, die an Arbeitnehmer verschickt wurden, obwohl dies nicht unbedingt nötig gewesen wäre.“ Aus seiner Sicht haben Arbeitgeber „einen Anteil daran, dass die Infektionszahlen noch einmal so stark steigen konnten“.

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, bezeichnete die beschlossenen Vorgaben für mehr Homeoffice als „inakzeptabel“. Noch im November habe Heil verkündet, von diesem Vorhaben abzusehen. „Dieses nun unter dem Etikett der Pandemiebekämpfung einzubringen, erweckt den Eindruck, als nutze der Minister die Pandemie für parteipolitische Zwecke“, teilte Zander mit.

In der Kritik steht die Politik weiter wegen einer aus Sicht vieler Firmen schleppenden Zahlung von finanziellen Hilfen. Vor allem der Handelsverband Deutschland kritisiert immer wieder, dass versprochene Hilfen bislang nicht geflossen seien. Die Modeindustrie schlug erneut Alarm. Nach Umsatzeinbußen von bis zu 45 Prozent treffe der seit November immer weiter verschärfte Lockdown die mittelständischen Bekleidungshersteller hart, sagte die Präsidentin des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie, Ingeborg Neumann, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), Gabriel Felbermayr, warnte angesichts der erneut verlängerten Schließungen vor einer Insolvenzwelle. „Je länger der Shutdown dauert, umso stärker leiden die Unternehmen, umso mehr werden ihre Reserven angeknabbert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir nach dem Ende der Krise eine große Insolvenzwelle sehen“, sagte er bei „Bild live“. „Das Mindeste, was jetzt passieren muss, dass man mit großzügigen Abschlagszahlungen versucht, die Unternehmen, die unschuldig betroffen sind, über Wasser zu halten.“

Nach schwerer Kritik versprach die Bundesregierung am Dienstag, schnell nachzubessern. „Die Hilfen werden einfacher, umfangreicher und zielgenauer“, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Scholz erzielte eine Einigung mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Altmaier erklärte: „Wir werden die Überbrückungshilfe III drastisch vereinfachen und auch bei der Höhe noch eine Schippe drauflegen.“

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