Wüst betont Anspruch auf Regierungsbildung in NRW

Wüst betont Anspruch auf Regierungsbildung in NRW

Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hat nach der Landtagswahl Gesprächsbereitschaft für eine Regierungsbildung signalisiert. Foto: Federico Gambarini/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) - NRW-Wahlgewinner Hendrik Wüst (CDU) hat seinen Anspruch auf eine Regierungsbildung im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen unterstrichen.

„Das Wählervotum ist eindeutig. Wir haben das Vertrauen der Menschen, auch in Zukunft eine Regierung zu bilden und anzuführen“, sagte Wüst am Montag beim Eintreffen zu den Beratungen mit den CDU-Spitzengremien in Berlin. Er werde nun auf alle demokratischen Parteien zugehen, „um darüber zu sprechen, wie wir die großen Fragen unserer Zeit angehen, wie wir ein Zukunftsbündnis schmieden können, das vertrauensvoll und verlässlich die großen Fragen angeht“.

„Wir haben gestern in Nordrhein-Westfalen ein tolles Wahlergebnis eingefahren für die CDU in Nordrhein-Westfalen einen klaren Regierungsauftrag“, sagte Wüst. Auf die Frage, ob er bereits mit den Grünen, die als wahrscheinlicher Regierungspartner gelten, telefoniert habe, sagte der CDU-Politiker: „Wir sind alle im gleichen Flieger gewesen.“ Traditionell reisen Landespolitiker am Montagmorgen nach Landtagswahlen zu den Sitzungen der Spitzengremien ihrer Bundesparteien nach Berlin.

Der SPD-Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl, Thomas Kutschaty, will weiterhin Regierungsverantwortung übernehmen. „Wir jedenfalls stehen auch bereit für Gespräche“, sagte Kutschaty am Montag dem Sender WDR 5. Der Sozialdemokrat betonte, dass es zwischen den Grünen und seiner Partei „viele große Schnittmengen“ gebe, und zwar mehr als mit der CDU. „Deswegen muss man mal schauen, was passt programmmäßig denn auch gut zusammen und wer kann dann die Regierung bilden.“ Mit Blick auf eine mögliche Ampelkoalition in Düsseldorf räumte Kutschaty allerdings ein, dass Dreierbündnisse schwerer zu schmieden seien als Zweierbündnisse. „Da mache ich mir nichts vor.“

Die SPD hatten bei der Landtagswahl am Sonntag laut vorläufigem amtlichen Ergebnis nur 26,7 Prozent geholt und damit neun Prozentpunkte weniger als die CDU. Mit den Grünen und der FDP könnte es aber noch zu einer Ampel-Koalition in NRW reichen. Auf die Frage, ob er die Initiative ergreifen werde, sagte Kutschaty: „Natürlich sind alle Parteien längst initiativ - die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten unterhalten sich selbstverständlich, auch heute Morgen schon.“ Allerdings gehöre es zu den demokratischen Gepflogenheiten, dass die CDU als stärkste Partei nun erstmal mit den Grünen spreche.

Nordrhein-Westfalen dürfte nach Erwartung des Düsseldorfer Politikwissenschaftlers Stefan Marschall künftig erstmals von einer schwarz-grünen Koalition regiert werden. „In der Politik kann man nichts ausschließen, aber CDU und Grüne sind beide sehr motiviert, erfolgreiche Gespräche für ein Bündnis zu führen“, sagte Marschall am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Eine große Koalition von CDU und SPD halte er für höchst unwahrscheinlich, an den Grünen führe bei einer Regierungsbildung kein Weg vorbei.

Es sei davon auszugehen, dass Grünen-Parteichefin Mona Neubaur demnächst als Ministerin für den Klimaschutz zuständig werde, meinte der Parteien-Experte von der Heinrich-Heine-Universität. Neubaur biete sich dem Wahlsieger CDU aber nun nicht „mit wehenden Fahnen“ als Partnerin an, um die Grünen in eine gute Verhandlungsposition zu bringen und um die Basis, vor allem die Partei-Jugend, zu überzeugen. Es sei aber auch nicht ausgeschlossen, dass CDU und Grüne kein Bündnis hinbekommen. Er halte es daher für „selbstverständlich“, dass SPD-Parteichef Thomas Kutschaty eine Ampel-Option von SPD, Grünen und FDP auf dem Tisch lassen wolle.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat Versäumnisse seiner Partei im Wahlkampf mitverantwortlich gemacht für das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. „Wir hätten noch klarer sein können in der Zuspitzung, dass es wirklich um eine knappe Entscheidung gehen kann am Ende“, sagte Kühnert am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Zugleich wies Kühnert zurück, dass das historisch schlechte SPD-Ergebnis auch ein Votum über die Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei.

Kühnert nannte es „ganz selbstverständlich“, dass CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst als Wahlsieger den Regierungsanspruch erhebe und Gespräche führen werde. „Aber in einer parlamentarischen Demokratie führt man dann eine Regierung, wenn man im Parlament eine Mehrheit hinter sich kriegt“, so Kühnert. „Er kann diese Mehrheit ausschließlich mit Parteien bekommen, die die letzten fünf Jahre in Opposition zu ihm standen und ihn und seine CDU leidenschaftlich wegen mangelnder Klimapolitik, Wohnungspolitik oder auch Kita-Politik kritisiert haben.“

Kühnert betonte, die Bundespolitik habe die Landesthemen im Wahlkampf überlagert, zugleich sagte er, Scholz habe viel Zuspruch erhalten.

Grünen-Landesparteichef Mona Neubaur sieht mit Blick auf eine künftige Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen den Klimaschutz als Dreh- und Angelpunkt. Auf die Frage nach ihrer Priorität sagte Neubaur am Montag in WDR: „Dass wir als Grüne die Verantwortung annehmen, jetzt zu zeigen, dass wir die Menschheitsaufgabe Klimaschutz ins Handeln bekommen.“ Entscheidend bei der Frage nach einem möglichen Koalitionspartner sei der „wirkliche Wille“, engagierten Klimaschutz umzusetzen.

Neubaur ließ nicht durchblicken, ob sie sich das eher beim Wahlsieger CDU oder bei der SPD vorstellen könne, die trotz starker Verluste eine Regierungsbildung nicht ausschließt.

Vizekanzler Robert Habeck will die Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Landtagswahl und die anstehende Regierungsbildung nicht öffentlich bewerten. Die Aufarbeitung der Wahlergebnisse würden die Parteien übernehmen, die Aufgabe liege nicht in den Ministerien, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister (Grüne) am Montag bei einem Besuch in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg. „Die werden sich schön bedanken, wenn ich jetzt hier erkläre, was ich so im Kopp habe.“

Die Entscheidung, welche Regierung gebildet werden solle, liege in Nordrhein-Westfalen, sagte der frühere Grünen-Chef. „Also, unterhalb der Ebene von öffentlichen Verlautbarungen kann ich meine Weisheiten den Kollegen gerne zurufen, wenn sie die hören wollen, aber hier habe ich nichts dazu beizutragen.“

Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann sieht im Wahlerfolg von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Unterstützung für die Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die CDU in Niedersachsen das Potenzial hat, dort ebenfalls einen Führungswechsel herbeizuführen. Insofern ist das ein toller Rückenwind“, sagte er am Montag beim Eintreffen zu Beratungen der Gremien der CDU-Bundesspitze in Berlin. „Die CDU ist wieder da“, sagte Althusmann und betonte: „Das war eine kleine Bundestagswahl. Das war eine klare Schlappe für die Ampel, eine klare Schlappe für den Kanzler (Olaf Scholz, SPD) und seine Politik.“

Obwohl nach der NRW-Landtagswahl eine Ampel-Koalition rechnerisch möglich ist, geht der FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp fest von einer Koalition aus CDU und Grünen aus. Auf die Frage nach den Chancen einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP sagte Stamp am Montagmorgen im Sender WDR 5: „Die Frage stellt sich nicht, es wird jetzt Schwarz-Grün.“ Die CDU werde „für den Ministerpräsidentenposten im Zweifelsfall sämtliche Inhalte preisgeben“, sagte der Liberale. Es brächte zwar nie etwas, eine Zusammenarbeit grundsätzlich auszuschließen. Eine Ampel stehe aber nicht zur Debatte, „weil es sowieso Schwarz-Grün geben wird“.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja erwartet nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition. Die CDU und die Grünen seien aus der Wahl als klare Gewinner hervorgegangen, sagte Czaja am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Und in diese Richtung wird jetzt auch die Koalitionsbildung laufen.“ Wichtig sei nun, Wirtschaft und Fortschritt mit dem Thema Klima und Ökologie zu versöhnen. „Das ist die Aufgabe dieser Regierung, in so schwierigen Zeiten. In so einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen kann das unter der Führung von Hendrik Wüst gut gelingen.“

Die SPD-Ministerpräsidentin des Saarlands, Anke Rehlinger, erwartet nach dem historisch schlechten Wahlergebnis ihrer Partei in Nordrhein-Westfalen keine größeren Änderungen des SPD-Kurses im Bund. „Ich glaube, dass die Auswirkungen auf die Bundespolitik sich zumindest SPD-seitig auch in Grenzen halten“, sagte Rehlinger am Montag im Deutschlandfunk. Zur Rolle des Bundeskanzlers sagte sie: „Olaf Scholz hat mitgeholfen vor Ort als Wahlkämpfer, er hat aber auch mitgeholfen, indem er für eine verlässliche Politik der Bundesregierung steht.“ Rehlinger meinte: „Am Ende des Tages ist in Nordrhein-Westfalen vor allem auch über die Landespolitik entschieden worden.“

Nach dem Erfolg der Grünen bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl hat die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, keine Vorliebe für eine bestimmte Koalition erkennen lassen. Die Grünen würden nun „mit allen demokratischen Parteien sprechen“, sagte Dröge am Montag im Deutschlandfunk. Entscheidend seien Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende. An die Adresse des CDU-Ministerpräsidenten fügte sie hinzu: „Hendrik Wüst muss sich auf jeden Fall verabschieden von einer Politik, die auf das Ausbremsen der Energiewende setzt.“

Dröge sagte zu den Spekulationen über die künftige Koalition in Düsseldorf: „Wir regieren ja auf Landesebene in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Und am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt.“ Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat die CDU die Landtagswahl am Sonntag mit 35,7 Prozent vor der SPD klar gewonnen. Die Grünen landeten mit 18,2 Prozent auf Platz drei. Möglich wären sowohl ein schwarz-grünes Bündnis als auch eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.

Der amtierende Innenminister Herbert Reul (CDU) hat als oberstes Ziel die Bildung einer „arbeitsfähigen, verlässlichen“ Regierung in Nordrhein-Westfalen betont.

„Ich hätte die Koalition mit der FDP gerne weitergeführt, aber der Wähler hat anders entschieden“, sagte Reul auf WDR 5 im „Morgenecho“. Die CDU hat bei der Landtagswahl nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis 35,7 Prozent (2017: 33,0) geholt, die FDP war auf 5,9 Prozent abgestürzt. Mit den Grünen - zweiter Wahlsieger vom Sonntag - sei die Zusammenarbeit bisher „unterschiedlich, wie immer im Leben, ausgefallen“, schilderte Reul.

Bei der Bekämpfung der Clankriminalität gingen die Positionen von CDU und Grünen deutlich auseinander. Der Wahlgewinner und amtierende Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) will mit allen demokratischen Parteien sprechen, hatte er angekündigt. Reul unterstrich mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit den Grünen, es gehe darum, „klug und sachgerecht und pragmatisch“ miteinander zu reden. „Regieren um jeden Preis gibt es nicht.“ Es seien rechnerisch auch andere Bündnisse denkbar. Auf die Frage nach seiner Reaktion, sollte man ihm erneut das Innenministeramt antragen, antwortete Reul: „Ich würde mich nicht verweigern.“

In der AfD verstärken andere Führungsmitglieder nach den Verlusten bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den Druck auf Parteichef Tino Chrupalla. Vorstandsmitglied Joana Cotar sprach sich am Montag dagegen aus, dass Chrupalla im nächsten Monat noch einmal für den Chefposten antritt. „Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD. Er bildet weder die gesamte Partei ab noch überzeugt er bei den Wählern. Darum darf er als Bundessprecher nicht noch einmal antreten“, erklärte Cotar. Die Bundestagsabgeordnete forderte „unverbrauchte Köpfe an der Spitze der Partei“.

Die konstituierende Sitzung des neugewählten Landtags von Nordrhein-Westfalen ist für den 1. Juni geplant. Das teilte ein Sprecher des Landtags am Montag in Düsseldorf auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Nach Artikel 37 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen tritt der neue Landtag spätestens am zwanzigsten Tag nach der Wahl zusammen. Mit der konstituierenden Sitzung nimmt das neugewählte Parlament seine Arbeit auf. Die Geschäftsführung der alten Landesregierung ende dann mit der Wahl einer neue Ministerpräsidentin oder eines neuen Ministerpräsidenten und deren Annahme. „Spezielle Fristen gelten hier nicht“, erklärte der Sprecher weiter.

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