Bangen um den Urlaub in Kreisen Gütersloh und Warendorf

Bangen um den Urlaub in Kreisen Gütersloh und Warendorf

Karl Lauterbach (SPD) steht mit Mundschutz bei einer Abstimmung im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld/dpa/Archivbild

Gütersloh/Warendorf (dpa/lnw) - Die Reisefrage rückt für viele Menschen in den Kreisen Gütersloh und Warendorf immer mehr in den Fokus. In mehreren anderen Bundesländern braucht man jetzt ein Attest, um dort in den Sommerurlaub zu starten.

Wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischproduzenten Tönnies schließen am Donnerstag die Schulen im Kreis Warendorf. Im benachbarten Kreis Gütersloh sind sie schon seit einigen Tagen zu. Auch Kitas sind nun geschlossen. In den Urlaub können viele Menschen aus den Gebieten auch nicht so leicht entfliehen: In mehreren beliebten Regionen im In- und Ausland werden negative Tests von ihnen gefordert. Aus einigen Ländern hieß es hingegen, Touristen aus ganz Deutschland seien willkommen.

Der Andrang auf die Corona-Testzentren dürfte in beiden Kreisen wie schon am Mittwoch deswegen am Donnerstag groß sein. Wer keine Corona-Symptome hat, kann sich zudem ab sofort auch bei seinem Hausarzt auf das Virus testen lassen. Das hatte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) auf den Weg gebracht. Bevorzugt getestet werden sollen Menschen, die bald verreisen wollen.

Beschränkungen für Touristen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf sprachen beispielsweise Niedersachsen, Bayern und Schleswig-Holstein aus. So wird in der Regel ein aktueller negativer Corona-Test benötigt, um ganz normal dort zu übernachten.

So beschloss das Landeskabinett in Schleswig-Holstein am Mittwoch Quarantäneregeln für Reisende aus Corona-Hotspots wie dem Kreis Gütersloh. Diese treten ab Donnerstag in Kraft. Die Betroffenen müssen unverzüglich nach der Einreise in ihre Wohnung oder in eine andere geeignete Unterkunft, um sich dort 14 Tage lang zu isolieren - oder einen negativen Coronatest vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf.

Eines der beliebtesten Ziele der Deutschen sprach kurzerhand eine Reisewarnung für ganz NRW aus: Österreich rät seinen Bürgern von einem Trip in das Bundesland dringend ab. NRW steht damit in einer Reihe mit der chinesischen Provinz Hubei und der italienischen Lombardei.

Ministerpräsident Armin Laschet kritisierte Österreich am Mittwochabend wegen der ausgesprochenen Reisewarnung indirekt: „Als in Ischgl mal etwas passiert ist, haben wir nicht eine Reisewarnung für ganz Österreich ausgesprochen“, sagte der CDU-Politiker bei „Bild live“. „Ich glaube nicht, dass Gütersloh schlimmer ist als Ischgl.“

Umgekehrt gilt die Warnung der Österreicher allerdings nicht: „Die Reisewarnung hat keine Auswirkungen auf die Einreisebestimmungen in Österreich“, sagte ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Für Reisende aus Deutschland gebe es weiterhin keine Test- oder Quarantäneerfordernis. Ähnlich sieht die Lage in Spanien aus: Spanien habe noch keine Maßnahmen erlassen, die Touristen aus NRW betreffen, „beobachtet die weitere Entwicklung jedoch aufmerksam“, erklärte die spanische Botschaft in Berlin auf Anfrage der Zeitung. Das niederländische Außenministerium ließ wissen, dass die „Grenzen zu den Niederlanden offen sind wie zuvor“.

Zu Reisebeschränkungen für Bürger aus dem Kreis Gütersloh an der Ostsee sagte Laschet, er verstehe Urlaubsregionen, dass sie „Klarheit haben wollen“. „Aber ich werbe auch dafür, dass die Menschen, die sich haben testen lassen, die auch nachweisen können, dass sie das Virus nicht tragen, auch die Möglichkeit haben, in Urlaub zu gehen.“

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Gütersloh, forderte im „Westfalen-Blatt“ (Donnerstag) eine lückenlose Aufklärung des Corona-Ausbruchs bei Tönnies. „Wir müssen daraus ohne Ansehen von Personen und ohne Ansehen von tatsächlichen oder scheinbaren wirtschaftlichen Interessen schnell politische Schlüsse ziehen und handeln“, sagte er und fügte hinzu: „Die Situation in meinem Heimatkreis macht mich unglaublich traurig.“

Wie die „NRZ“ (Donnerstag) indes berichtete, wurden bei Kontrollen der Unterkünfte von Beschäftigten in der Fleischindustrie bis Ende Mai - also vor Bekanntwerden des Ausbruchs bei Tönnies - fast 1900 Beanstandungen festgestellt. Das teilte demnach das NRW-Gesundheitsministerium der Zeitung mit. 650 Sammelunterkünfte und Werkswohnungen seien kontrolliert worden. Dort lebten mehr als 5300 Personen. Mängel waren laut dem Bericht unter anderem fehlende Hygienemaßnahmen, Überbelegungen, Schimmelpilzbefall, „katastrophale“ Sanitäreinrichtungen, undichte Dächer, Rattenbefall, Brandschutzmängel oder Einsturzgefahr. Bereits Anfang Mai hatte es einen Corona-Ausbruch in einem Westfleisch-Werk in Coesfeld und in der Folge verstärkt Kontrollen in der Branche gegeben.

Derweil richtete sich der Blick auch gen Wochenende: Bis dahin wolle man wissen, „ob das Virus in andere Teile der Bevölkerung übergesprungen ist“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Bei der freiwilligen Massentestung der Bewohner des Kreises Gütersloh war laut den Behörden bei den ersten 230 Befunden noch kein sicherer Corona-Nachweis dabei. Insgesamt seien bislang 600 Abstriche genommen worden. Nach jüngsten Angaben des Kreises Gütersloh sind dort derzeit 1311 Menschen nachweislich infiziert.

Nach Auffassung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sind die neuen Corona-Beschränkungen in Gütersloh und Warendorf zu spät gekommen. „Der Lockdown ist eine notwendige Maßnahme. Sie kommt allerdings spät. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass nicht nur Tönnies-Mitarbeiter und ihre Familien infiziert sind“, sagte der Politiker der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ), und: „Wir müssen verhindern, dass sich die Pandemie wieder ausweitet, vor allem alles dafür tun, dass sich das Virus nicht wieder deutschlandweit verbreitet.“