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Bundestag berät über umstrittene Wahlrechtsreform  

Freitag, 27. Januar 2023 - 08:11 Uhr

von dpa

Blick in den Plenarsaal des Bundestags im Reichstagsgebäude. Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin (dpa) - Im Bundestag steht erstmals der umstrittene Vorschlag der Ampel-Koalition für eine Wahlrechtsreform zur Debatte. Die Pläne von SPD, Grünen und FDP sollen dafür sorgen, dass der Bundestag nach der nächsten Wahl wieder auf seine Normgröße von 598 Abgeordneten schrumpft. Die Ampel-Koalition hofft auf breite Unterstützung - will die Reform aber notfalls auch ohne eine Verständigung mit der Union im Bundestag verabschieden.

„Wir wollen unser Gesetz Anfang März beschließen und hoffen auf eine breite parlamentarische Mehrheit“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Ein breit getragener Beschluss über eine Parlamentsverkleinerung unter Einbindung der größten Oppositionsfraktion wäre ein großer Gewinn“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle der „Rheinischen Post“. Allerdings dürften CDU und CSU dafür nicht auf einem Wahlrecht bestehen, das einseitige Vorteile ermögliche, die über das Wahlergebnis hinausgingen, fügte Kuhle hinzu.

Der Bundestag wurde nach der Wahl 2021 mit 736 Abgeordneten so groß wie noch nie zuvor. Das liegt an den vielen Überhang- und Ausgleichsmandaten. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese zusätzlichen Mandate darf die Partei behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate.

Der Vorschlag der Ampel-Fraktionen sieht vor, dass die Überhang- und Ausgleichsmandate komplett gestrichen werden. Die Union lehnt das ab, vor allem die CSU, die von dieser Regelung besonders stark profitiert. Ihr eigener Vorschlag sieht eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 270 vor. Damit würde auch die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich sinken. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat der Ampel-Koalition Gespräche über einen möglichen Kompromiss angeboten.

Hartmann sieht den Vorschlag der Union kritisch. „29 Wahlkreise weniger bedeutet 29 Mal weniger eine Wahlmöglichkeit für die Wähler“, sagte Hartmann und verteidigte die Ampel-Pläne gegen Kritik. „Bei unserem Vorschlag bleiben alle Chancen gleich, denn keine Partei wird einseitig Vor- oder Nachteile davon haben.“

Auch die AfD ist gegen den Vorschlag der Union. In ihrem Antrag heißt es: „Die verfassungskonforme und gerechte Lösung zur Verkleinerung des Deutschen Bundestages besteht daher darin, die Direktmandate in unverändert bestehenbleibenden 299 Wahlkreisen in jedem Bundesland jeweils so zu vergeben, dass keine Überhangmandate mehr entstehen.“

Die Linke war bei der zurückliegenden Bundestagswahl unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben und nur dank dreier Direktmandate in Fraktionsstärke ins Parlament eingezogen. Sie nimmt die Debatte nun zum Anlass, um für ihren Vorschlag zu werben, Ausländer nach mindestens fünfjährigem rechtmäßigen Aufenthalt als Wähler an der Bundestagswahl zu beteiligen.

Eine Schrumpfkur für den Bundestag brächte in jedem Fall auch eine Kostenersparnis mit sich. Denn die Mandatsträger beschäftigen Mitarbeiter. Büros müssen unterhalten und Reisen bezahlt werden. Im Haushalt 2023 werden für den Bundestag Kosten in Höhe von insgesamt rund 1,14 Milliarden Euro veranschlagt. 2018 waren es 974 Millionen Euro, 2016 lagen die Ausgaben laut Bundesfinanzministerium noch bei rund 857 Millionen Euro.

„Die konkreten Einsparungen können wir bisher nur schätzen“, sagte der Wahlrechtsexperte der Grünen-Fraktion, Till Steffen, der Deutschen Presse-Agentur. Durch die Rückkehr zur Regelgröße von 598 Abgeordneten würden aber voraussichtlich mehrere hundert Millionen eingespart.

© dpa-infocom, dpa:230127-99-373997/3

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