Drosten sieht Omikron-Problem auf Deutschland zukommen

Drosten sieht Omikron-Problem auf Deutschland zukommen

Der Virologe Christian Drosten sorgt sich um die Omikron-Variante in Deutschland. Foto: Fabrizio Bensch/Reuters Pool/dpa

Berlin (dpa) - Geht die Corona-Pandemie 2022 dem Ende entgegen? Rund um Omikron herrscht noch viel Ungewissheit. Virologe Drosten hat kein gutes Gefühl, insbesondere was das Risiko Ungeimpfter anbelangt. Der Virologe Christian Drosten befürchtet ab Anfang kommenden Jahres Schwierigkeiten mit der Omikron-Variante des Coronavirus auch hierzulande.

„Ich denke, ab Januar werden wir mit Omikron in Deutschland ein Problem haben“, sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité am Dienstag im Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info. Er mahnte erneut das Schließen der Impflücken in der Bevölkerung an, es müsse jetzt voll um den Schutz des Einzelnen gehen. Omikron werde wahrscheinlich die Anpassung der vorhandenen Impfstoffe nötig machen.

Die zuerst im südlichen Afrika nachgewiesene Variante B.1.1.529 ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „besorgniserregend“ eingestuft worden. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von erneuten Infektionen erhöhen könnte. Welche genauen Auswirkungen die Variante hat, steht noch nicht fest.

25 bis 30 Fälle in Deutschland

Das Omikron-Problem könne bis in den Sommer andauern, warnte Drosten. In Südafrika seien die Zuwachsraten trotz des dort einsetzenden Sommers hoch. „Und darum würde ich im Moment auch nicht sagen, bis Ostern ist in Deutschland die Pandemie vorbei, wenn Omikron übernimmt.“ Bisher seien ihm hierzulande aus dem Austausch mit Kollegen ungefähr 25 bis 30 Omikron-Fälle bekannt. Die Zahl sei nicht vollständig und werde rasch zunehmen. Das Virus scheine „extrem verbreitungsfähig“ zu sein. Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte vergangenen Donnerstag von vier bisher bestätigten Fällen gesprochen.

Der Virologe betonte, dass es rund um die Variante noch viele offene Fragen gebe und mehr Daten abgewartet werden müssten. Mehrfach sprach Drosten von einer „Ratestunde“. Die Ausgangslagen in Südafrika und England, wo Omikron sich in besorgniserregender Geschwindigkeit ausbreite, seien zudem anders als in Deutschland. Das betreffe unter anderem die Anteile von Geimpften und Genesenen, aber auch die Maßnahmen, die aktuell in Kraft seien. Deutschland fahre derzeit mit „angezogener Handbremse“, deshalb könne es sein, dass die Ausbreitung nicht ganz so schnell erfolgen werde. Auch könnten Daten aus manchen Ländern wegen gezielter, sehr genauer Nachverfolgung bei Reiserückkehrern und deren Umfeld verzerrt sein.

„Blödeste Kombination“ zu befürchten

Er wolle nicht den Teufel an die Wand malen, halte aber Vorsicht angesichts der Veränderungen des Virus für geboten, sagte der Charité-Forscher. Bei Omikron sei die „blödeste Kombination“ an Eigenschaften zu befürchten: Immunflucht und und Fitnessgewinn - also eine Variante, die den Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entkommt und zudem ansteckender ist. Nach Einschätzung des Corona-Experten könnte ab dem zweiten Quartal 2022 womöglich eine neue Generation angepasster Impfstoffe verwendet werden. Hersteller hatten Arbeiten zur Anpassung an Omikron angekündigt. Die Variante weist zahlreiche Mutationen an kritischen Stellen auf.

Aktuell sei es sicher noch „gut“, die vorhandenen Impfstoffe einzusetzen und auch die Booster-Impfung „unbedingt voranzutreiben“, sagte Drosten. Geimpfte müssten kein völliges Verschwinden ihres Immunschutzes fürchten, aber eine Verringerung sei absehbar. Er glaube nicht, dass Menschen, die bereits eine Auffrischungsimpfung hatten, wieder so dastünden wie am Anfang der Pandemie. Ein Boostern der Bevölkerung zum Winter hin in den nächsten Jahren schloss Drosten nicht aus. Er widersprach aber deutlich Darstellungen, wonach die Menschen ein „lebenslanges Impf-Abo“ vor sich haben könnten.

Zu früh für abschließende Bewertung

Auch angesichts schwerer Verläufe, die nun bei Kindern in Südafrika beobachtet würden, sei zu befürchten, dass Omikron für Ungeimpfte „nicht harmlos“ sei, sagte Drosten. Man dürfe wegen Berichten über milde Verläufe in Südafrika nicht in Euphorie verfallen: Dort seien die meisten Menschen schon mit Sars-2-Coronavirus infiziert gewesen. Deutschland sei mit der Immunität in der Bevölkerung noch nicht so weit.

Der US-Immunologe Anthony Fauci wies am Dienstag auf die Möglichkeit milderer Verläufe hin, mahnte jedoch, dass es zu früh sei für eine abschließende Bewertung. Die beobachteten verhältnismäßig milden Verläufe könnten auch mit den vor allem betroffenen jüngeren Leuten zu tun haben.