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Katastrophendenken im Job überwinden

Beruf

Sonntag, 27. Februar 2022 - 13:46 Uhr

von dpa

Viel zu oft malen wir uns vor beruflichen Herausforderungen aus, was alles schief gehen könnte. Foto: Alexander Heinl/dpa-tmn

München (dpa/tmn) - Unser Gehirn ist auf Gefahren trainiert, sagt Coachin Anne-Katrin Petsch. Das kann uns im Job ausbremsen. Denn viele Sorgen, die man sich vielleicht vor einer Präsentation, einem Personalgespräch oder einem Jobwechsel macht, treten am Ende gar nicht ein.

Was aber hilft, wenn sich die Katastrophengedanken überschlagen? Anne-Katrin Petsch erklärt im Interview, wie sich die Denkmuster durchbrechen lassen.

Ich denke, das ist etwas Urmenschliches. Wir sind seit jeher daraufhin trainiert, unsere Umgebung nach Gefahren abzuscannen. Besonders, wenn wir uns auf neues Terrain begeben. Dieser Gefahrenradar ist in uns angelegt und springt auch heute noch an, wenn wir zum Beispiel einen Vortrag halten müssen, ein Vorstellungsgespräch haben oder uns beruflich neu orientieren.

Der Klassiker, den fast jeder kennt, ist: Man muss eine Rede oder eine Präsentation halten. Da kommen schnell Gedanken an die ultimative Katastrophe hoch. Etwa: Wir verhaspeln uns, wir verlieren den roten Faden, wir haben ein Blackout. Typisch für Katastrophendenken ist, dass es so überspitzt ist, dass man den eigenen Anschluss an die Realität verliert.

Die Gedanken verselbstständigen sich wie Dominosteine. Zum Beispiel eine Führungskraft, die eigentlich Aufgaben abgeben muss, aber denkt: Wenn ich das nicht mehr selbst mache, setzt das Team das Projekt sicher in den Sand. Dann verlieren wir den Kunden. Und was denken dann die anderen Kunden? Da werden wir sicher noch mehr Kunden verlieren.

Ich glaube, Katastrophendenken ist bis auf eine Ausnahme grundsätzlich immer hinderlich. Denken wir an das Beispiel berufliche Neuorientierung: Wenn wir uns ausmalen, was alles schiefgehen kann, wird uns das für immer daran hindern, den Schritt in einen neuen Job zu wagen. Und das, obwohl wir vielleicht total unglücklich mit unserer derzeitigen Stelle sind.

Das Problem ist, dass unser Gehirn in eine Art Überlebensmodus schaltet, auch wenn die Situation eigentlich gar nicht lebensbedrohlich ist. In diesem Zustand sind wir aber nicht in der Lage, konstruktiv oder kreativ zu denken. Wir schränken uns und unseren Gestaltungsspielraum ein.

Ein Anwendungsfall, in dem uns Katastrophendenken dienen kann, ist das Worst-Case-Szenario. Das kann man am Beispiel eines Vortrags veranschaulichen. Und zwar, indem man vor dem Vortrag eine Reihe von „Und-dann-Fragen“ stellt. Man überlegt sich, was das Schlimmste ist, das passieren kann.

Etwa so: Ich verliere den Faden. Und dann? Muss ich in meine Notizen schauen. Und dann? Werde ich vielleicht rot. Und dann? Muss ich neu ansetzen. Und dann? Setze ich den Vortrag fort. Diese Fragen führen zur Erkenntnis, dass es immer irgendwie weitergeht - und dass es gar nicht so wahrscheinlich ist, dass alle Katastrophen, die wir uns ausmalen, auch eintreten.

Das Problem an Katastrophendenken ist, dass es sehr schnell und unbewusst eintritt. Wir merken es eher an unseren Gefühlen als an unseren Gedanken. Wir fühlen uns klein, wir fühlen uns schlecht.

Als Erste-Hilfe-Maßnahme können wir auf unseren Atem achten, fühlen, wie sich unser Brustkorb hebt und senkt. Oder wir stellen unsere Füße fest auf den Boden und versuchen, mit jedem Zeh einzeln zu wackeln. Es hilft auch, sich auf die Umgebungsgeräusche zu konzentrieren und wahrzunehmen, was man in dem Moment alles hören kann. Es reicht meistens, eine dieser Übungen für 20 bis 30 Sekunden zu machen.

Dadurch aktivieren wir wieder Bereiche in unserem Gehirn, die uns klar denken lassen und kommen emotional in einen besseren Zustand. Dann können wir uns Fragen stellen wie: Ist das eigentlich wahr, was ich da gerade gedacht habe? Wie sehe ich die Situation, wenn ich mit etwas Abstand und mit all meiner Lebens- oder Berufserfahrung darauf schaue? Dann wird uns fast immer bewusst, dass die Situationen, die wir uns ausgemalt haben, gar nicht so wahrscheinlich sind.

Wie immer gilt: Übung macht den Meister. Es geht darum, gewohnte Gedankenwege mit neuen zu überschreiben. Dabei können uns kleine Übungen unterstützen. Um sie zur Gewohnheit zu machen, braucht es etwas Zeit. Rund 10 Wochen sollte man dranbleiben.

Eine Übung, die ich empfehlen kann, ist zum Beispiel der Gedanken-Download. Am besten setzt man sich dazu morgens hin und schreibt alle Gedanken auf, die einem in den Sinn kommen. Man fragt sein Gehirn immer wieder: Und was ist da noch?

Diese Wahrnehmungsübung schafft ein Bewusstsein für die eigenen Gedanken. Schreibe ich vor einem Vortrag etwa: „Oh Gott, das wird eine Katastrophe“ oder „Mal sehen, was da kommt.“

Gleichzeitig kann man die bereits erwähnten Erste-Hilfe-Maßnahmen trainieren. Da reicht es für den Anfang schon, sich dreimal am Tag vom Handy erinnern zu lassen und diese Übungen zu machen. Das kann man mit täglichen Ritualen verbinden, etwa morgens in der Dusche, in der Mittagspause oder beim Toilettengang.

Mit der Zeit wird dann sozusagen der Muskel stärker, der den Wechsel zwischen den Betriebssystemen unseres Gehirns steuert. Wer das über Wochen macht, dem wird es irgendwann immer leichter fallen, den Überlebensmodus zu beenden. Viele merken schon mit diesen relativ einfachen Maßnahmen, dass sie nach einer Zeit angstfreier durchs Leben gehen.

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