Zahl der Infektionen bleibt hoch - Kein einsames Weihnachten

Zahl der Infektionen bleibt hoch - Kein einsames Weihnachten

41 Prozent der Befragten befürchten, das Fest wegen der Pandemie im kleinen Kreis oder sogar allein feiern zu müssen. Foto: Daniel Karmann/dpa

Berlin (dpa) - Vor den anstehenden Beratungen zu den Corona-Maßnahmen für Dezember deutet sich noch keine klare Linie an. Fest steht bisher nur: Zumindest von den führenden Unionspolitikern will keiner von den Menschen verlangen, auf Familientreffen an Weihnachten zu verzichten. Obwohl sich in Deutschland täglich immer noch Tausende Menschen mit dem Coronavirus infizieren, halten CDU-Politiker ein Weihnachtsfest im Familienkreis für möglich.

Voraussetzung dafür ist nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier allerdings, dass notwendige Entscheidungen bei den anstehenden Bund-Länder-Beratungen am kommenden Mittwoch nicht wieder vertagt werden. „Wir brauchen mutige Entscheidungen jetzt, die Wirtschaft und alle Beteiligten wollen Klarheit“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) innerhalb von 24 Stunden 22 964 neue Corona-Infektionen gemeldet. Das waren am Samstag gut 500 Fälle mehr als vor einer Woche. Der Höchststand war am Freitag mit 23.648 Fällen erreicht worden.

Nachdem die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Oktober und Anfang November stark gestiegen war, war der Wert zuletzt vergleichsweise stabil. Einen deutlichen Rückgang gibt es aber bislang nicht, obwohl seit Anfang November ein Teil-Lockdown in Deutschland gilt. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg innerhalb eines Tages um 254 auf insgesamt 13.884.

Nach dem Willen der Unionsländer sollen die Corona-Beschränkungen zwar bis mindestens Weihnachten verlängert werden, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Aber für die Festtage selbst sollen sie gelockert werden, damit Menschen ohne Familie das Fest mit Freunden feiern können. Darauf hätten sich die unionsgeführten Bundesländer bei einer Vorbesprechung zum anstehenden Bund-Länder-Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Mittwoch verständigt.

Länder und Landkreise mit weniger als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb sieben Tagen (Inzidenzwert) sollen demnach die Möglichkeit bekommen, die Corona-Maßnahmen auszusetzen („Opt-Out-Regelung“). Davon würden nach dem Stand von Samstagabend nur Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie rund zwei Dutzend Landkreise profitieren. Die Unionsländer sind sich dem Bericht zufolge auch einig, dass es in Corona-Hotspots mit einem Inzidenzwert über 200 in den Schulen ab der 7. Klasse Wechselunterricht geben soll: Die Klassen würden halbiert und abwechselnd in Präsenz oder Distanz unterrichtet.

Das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ hatte unter Berufung auf Länderkreise berichtet, die derzeit geltenden Maßnahmen könnten bis zum 20. Dezember verlängert und die Winterferien bundesweit bis zum 10. Januar ausgedehnt werden.

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) bedrückt mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland (54 Prozent) die Angst, dass ein Familienmitglied die Feiertage im Bett oder gar in einer Klinik verbringen muss - sei es wegen Covid-19 oder einer anderen Krankheit. Von den rund 1000 Befragten äußerten 41 Prozent die Sorge, das Fest wegen der Pandemie im kleinen Kreis oder allein feiern zu müssen. In einer vergleichbaren Umfrage vor zwei Jahren hatten 44 Prozent Angst vor Krankheit an Weihnachten.

In einer Schaltkonferenz am vergangenen Montag hatten die Länderchefs und die Kanzlerin zunächst keine weiteren Verschärfungen der Maßnahmen vereinbart. Seit Anfang November sind deutschlandweit alle Freizeit- und Kulturangebote auf Eis gelegt, Bars, Cafés und Restaurants sind geschlossen. Der Teil-Lockdown war zunächst bis Ende des Monats befristet worden.

Ziel müsse es sein, ein Weihnachtsfest zu feiern, das diesem Anspruch nahekommt, wenn auch in bescheidenem Rahmen, sagte Altmaier. Das sei nur zu schaffen, wenn die Infektionszahlen nachhaltig gesenkt würden.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag): „Es ist für mich nicht vorstellbar, dass die Großeltern an Weihnachten nicht mitfeiern.“ Wichtiger als die Anzahl der Menschen, die zusammenkommen, sei, „dass man vorher seine Kontakte reduziert und darauf achtet, dass niemand Symptome hat“.

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, appellierte an Bund und Länder, jetzt schon eine klare Perspektive für die Feiertage zu geben. „Man kann doch wohl Mitte November schon sagen, dass Weihnachten in den Familien stattfinden kann“, sagte Merz dem Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Das sollte nicht in Frage gestellt werden. Ich persönlich sage: Es geht den Staat auch nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.“ Skeptischer zeigte sich der frühere Unionsfraktionschef mit Blick auf Silvesterpartys.

Kritik erntete Merz von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Deren Vorstand Eugen Brysch sagte, Merz könne heute nicht sagen, ob er zum CDU-Vorsitzenden gewählt werde. Von den politisch Verantwortlichen verlange er jedoch, jetzt festzulegen, wie Weihnachten in der Pandemie aussehen werde. „Genau das ist die Methode, den Frust in der Bevölkerung wegen der Corona-Regeln zu schüren.“

Allerdings hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den zurückliegenden Beratungen mit den Länderchefs angekündigt, man wolle, was die Corona-Maßnahmen angeht, möglichst bald eine etwas längerfristige Perspektive aufzeigen. Wie die aussehen wird, hängt sicher auch von der Zulassung erster Impfstoffe ab.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewertete den seit Anfang November geltenden Teil-Lockdown als Erfolg. „Der Wellenbrecher funktioniert doch“, sagte er der „Welt“ (Samstag). „Das exponentielle Wachstum ist gebrochen. Wir sind uns einig, dass das nicht reicht.“ Angesichts der hohen Zahl älterer Menschen in Deutschland sei es wichtig, auch die Kapazität der Intensivstationen im Blick zu haben.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warf der Regierung in der „Welt“ Strategielosigkeit vor. „Meine Befürchtung ist: Wir finden aus dem aktuellen November-Lockdown in diesem Jahr nicht wieder raus“, sagte Lindner. Er bekräftigte seine Position, dass mit einem besseren Schutz der Risikogruppen die Schließung von Gastronomie, Kultur, Freizeit und Sport unnötig gewesen wäre.