Ausbildungsmesse

„Ich fühlte mich damals mit meinen Talenten nicht abgeholt“

Schulleiter des Berufskolleg Rheine hat einen spannenden Ausbildungsweg

Dienstag, 29. Mai 2018 - 12:35 Uhr

von Jörg Peterkord

Benedikt Karrasch leitet seit Februar das Berufskolleg in Rheine und freut sich auch auf die neue Lernwerkstatt 4.0.

Eigentlich wollte er Zweiradmechaniker werden, jetzt leitet er die Schule mit den meisten Schülern im Kreis Steinfurt.

Seine Leidenschaft fürs „Schrauben“ hat darunter nicht gelitten. „Das ist für mich heute noch ein tolles Hobby“, erzählt Benedikt Karrasch, der seit Februar das Berufskolleg in Rheine leitet. Wenn er die Projektwerkstatt am Berufskolleg betritt, ist seine Leidenschaft fürs Tüfteln spürbar. „Wenn sie so wollen, ist das unser kreatives Labor,“ so Karrasch. Lötkolben, Polstermöbel, die ihre besten Tage lange hinter sich haben, Kabel, Werkzeuge, Bildschirme und Stellwände mit Projektskizzen vermitteln eindrucksvoll das Bild von kreativen Chaos. Hier darf jeder seiner technischen Leidenschaft frönen, wer Freude daran hat. Gleich darüber entsteht zurzeit die Lernwerkstatt 4.0. Ungleich strukturierter soll auch dort die technische Leidenschaft junger Menschen angesprochen und gefördert werden.

„Die Aufgabe des Schulleiters ist eine tolle Aufgabe. Sie haben viele Möglichkeiten zu gestalten und mit Menschen zu arbeiten. Und das Wertvolle sind ja die Beziehungen, die wir haben. Da haben Sie als Lehrer schon viele Möglichkeiten dran zu arbeiten und als Schulleiter noch viel weitreichendere,“ so Karrasch. 2600 Schülerinnen und Schüler werden am Berufskolleg unterrichtet. Etwa 1200 Auszubildende aus verschiedenen Ausbildungsberufen bekommen hier im Teilzeit- bzw. Blockunterricht den theoretischen Teil ihrer Ausbildung vermittelt und werden pädagogisch betreut. Weitere Qualifikationen im gewerblich-technischen, ernährungs-hauswirtschaftlichen oder im sozial-pädagogischen Bereich streben Schülerinnen und Schüler in den Vollzeitklassen an. Vom nachgeholten Hauptschulabschluss bis zum Abitur und damit zur allgemeinen Hochschulreife spannt sich der Bogen der möglichen Bildungsabschlüsse.

Als der heutige Schulleiter im Jahre 1983 vor der Entscheidung stand, welchen Beruf er als 16-Jähriger anstrebt, war die Antwort klar: Zweiradmechaniker! Auch weil er sich mit seinen „Talenten nicht abgeholt“ fühlte, hatte er sich entschieden, das Gymnasium nach der 10. Klasse zu verlassen. Seine Eltern haben ihn bei seinen Entscheidungen stets unterstützt und als erste Ansprechpartner beraten. Karrasch kann sich gut daran erinnern, wie ihm einst im Schulleiterzimmer das Zeugnis ausgehändigt worden war. Relativ schmucklos und formal. „Schade eigentlich. Für mich war es ja schon eine Art Meilenstein,“ erinnert sich Karrasch. Allerdings wich er auch vom Plan seiner Schullaufbahn ab. In den 80er Jahren war es weitestgehend Konsens unter Eltern, Lehrern und Schülern, dass 90 Prozent der Gymnasiasten das Abitur und anschließend ein Hochschulstudium anstreben. Heute ist das anders.

Bis sich Benedikt Karrasch in einen Universitätshörsaal wiederfinden sollte, hat er noch das Tischlerhandwerk von der Pieke auf gelernt, ist bei der Arbeit als Geselle auch in der Welt rumgekommen. Unter anderem in die Nobelläden von Paris führten ihn seine Arbeitseinsätze für die auf edlen Ladenbau spezialisierte Firma aus dem heimischen Legden. Trotz toller Jahre im Job schlich sich dann doch das Gefühl ein, nicht „alle Talente in vollem Umfang gehoben“ zu haben. Vom Plan, nach der Meisterprüfung seine eigene Firma als Tischler zu gründen, hat sich Karrasch damals wieder gelöst. Ein väterlicher Freund, der als Gerichtsvollzieher in dieser Zeit viele Insolvenzen von Handwerksbetrieben betreute, riet ihm nachhaltig ab. Dass sich Bennedikt Karrasch dann an seine schöne Zeit als Jugendleiter in der Kirchengemeinde erinnerte, half ihm bei der Entscheidung, jetzt doch Berufsschullehrer werden zu wollen.

Über den gezielten „Umweg“ eines Vordiploms an der Gesamthochschule Aachen hatte er nicht nur die Allgemeine Hochschulreife nachgeholt, sondern bereits wichtige Bildungsnachweise, die ihm anschließend im Lehramtsstudium angerechnet worden sind. In dieser Zeit hat er auch noch eine Familie gegründet.

Fast 20 Jahre war Karrasch anschließend am Berufskolleg in Steinfurt tätig. Dort hat er die Bildungsgänge Gartenbau, sowie Bau-, Holz- und Gestaltungstechnik ebenso koordiniert wie den Bildungsgang der Fachschule für Technik, Schwerpunkt Metallbautechnik. Seit 2009 war er zudem Fachberater der Bezirksregierung Münster für vollzeitschulische Berufsausbildung. Dann ist er wohl wieder mit seinen Talenten abgeholt worden.

Nach etwa einjähriger Vakanz der Schulleitung ist Benedikt Karrasch seit Februar der neue „Chef“ der knapp 160 Lehrerinnen und Lehrer an der Schule für berufliche Aus- und Weiterbildung in Rheine. Er freut sich darauf, die Schule mit seinen Kollegen weiter zukunftsfähig zu machen und noch mehr darauf, unter den Schülerinnen und Schülern noch viele, viele Talente abzuholen.

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