Klinsmann im Chat - Hertha und Investor suchen Antworten

Klinsmann im Chat - Hertha und Investor suchen Antworten

Jürgen Klinsmann ist nicht mehr Trainer von Hertha BSC. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin (dpa) - 32 Stunden nach seinem Rücktritt versucht Jürgen Klinsmann mit einer Entschuldigung seinen ramponierten Ruf zu retten. Die Hertha-Bosse brechen nach dem Schock auch ihr Schweigen. Vor allem von Investor Lars Windhorst werden Antworten erwartet. Eine Zerreißprobe droht.

In einem gut 13-minütigen Monolog entschuldigte sich Jürgen Klinsmann vor einer Internet-Kamera erst bei den Fans von Hertha BSC für die Umstände seines Hauruck-Abgangs und versuchte dann mit emotionalen Worten, seinen schwer beschädigten Ruf zu retten.

Mit ernstem Blick saß der frühere Bundestrainer an einem silbernen Laptop. „Die Art und Weise ist natürlich fragwürdig“, sagte Klinsmann im Videochat über den Rücktritt als Chefcoach nach nur elf Wochen. Aufgrund seiner Klage über viele „Nebenkriegsschauplätze“ im Verein und der weiter offenen Zukunft als Aufsichtsrat könnten die Schockwellen des Rücktritts beim Hauptstadtclub aber zu einer Zerreißprobe führen.

„Das ist allen überlassen bei der Hertha, da habe ich gar kein Problem damit“, sagte Klinsmann über eine mögliche Rückkehr ins Aufsichtsgremium. „Da sollen die Leute sagen, wie sie es wünschen.“ In einem Krisen-Telefonat hatten zuvor Club-Präsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur den Weg aus der Notlage besprochen. Dem Vernehmen nach ist auch der Geldgeber nicht begeistert über den emotionalen Abschied Klinsmanns, den er selbst als engen Vertrauten in den Aufsichtsrat berufen hatte.

Sein Abschied habe nichts mit Geld-Forderungen zu tun gehabt, betonte Klinsmann, sondern lediglich mit seinem Wunsch nach mehr Kompetenzen. „Es kann nur einer sein, der entscheidet und das ist der Trainer“, sagte der 55-Jährige und meinte mit Bezug auf Manager Michael Preetz: „Da haben wir uns aufgerieben in vielen, vielen Nebenkriegsschauplätzen.“ Vor dem Videochat hatte Klinsmann angekündigt, Fragen beantworten zu wollen, ging aber anders als in seiner Zeit als Hertha-Coach nicht konkret auf einzelne Nutzer im Netz ein.

Es droht eine öffentliche Schlammschlacht. Der Club demonstrierte zumindest mit der Einladung für eine gemeinsame Pressekonferenz von Windhorst, Vereinspräsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz am 13. Februar (11.30 Uhr) Geschlossenheit.

Viele Fragen sind für das angekündigte Ende des Schweigens von den Vereinsverantwortlichen offen:

Wer folgt dauerhaft auf Klinsmann als Chefcoach der Berliner, die sich in prekärer Lage weiter mitten im Abstiegskampf befinden? Ähnlich wie schon bei vergangenen Trainersuchen werden unter anderem Bruno Labbadia und Roger Schmidt als mögliche Kandidaten gehandelt. Nachdem der frühere Wunschkandidat Niko Kovac bereits abgewunken hatte, wollte sich Schmidt auf Anfrage nicht äußern.

Wie verschiebt sich das Machtgefüge im Club durch den Rücktritt von Klinsmann mit Blick auf Investor Windhorst? Klinsmann hatte in einem „Bild“-Interview und wiederholt im Videochat seinen Wunsch nach deutlich mehr Kompetenzen offenbart und beklagt, dass diese Situation sich zuletzt „noch verschlechtert“ habe. Der damit angesprochene Manager Preetz wird dem alten Lager im Verein mit Clubchef Gegenbauer zugerechnet. Preetz wurde auch für die Medienrunde am Freitag vor der Partie beim SC Paderborn an der Seite von Klinsmanns früherem Assistenten Alexander Nouri angekündigt.

Und ist es überhaupt vorstellbar, dass Klinsmann nach seinem vielfach kritisierten Abschied noch wie von ihm selbst angekündigt zurück in den Aufsichtsrat rückt? Diese Frage war zunächst ungeklärt und soll entschieden werden, wenn sich die Wogen geglättet haben, erfuhr die dpa aus dem Umfeld von Investor Windhorst am Mittwoch. Klinsmann hatte sein Amt in dem Gremium Ende November ruhen lassen, als er den Cheftrainerposten übernahm. Der Aufsichtsrat der KGaA hat vergleichsweise geringe Befugnisse und ist beispielsweise nicht dafür zuständig, Transfers abzusegnen oder über die Geschäftsführung um Manager Michael Preetz zu entscheiden.

Die Kritik an Klinsmann reißt unterdessen nicht ab. Dass der frühere Bundestrainer „charakterlich so daneben liegt, einfach die Flinte ins Korn schmeißt und sagt „Ich geh jetzt mal nach Kalifornien, das war‘s jetzt für mich““, habe Preetz nicht wissen können, sagte Hertha-Legende Axel Kruse beim rbb. „Er hat auf dem Transfermarkt zugeschlagen wie kein anderer in ganz Deutschland und hat dann zwei Wochen später gesagt „ich spüre das Vertrauen nicht““, sagte Ex-Hertha-Trainer Peter Neururer bei RTL/ntv. „Unglaubwürdiger in der Auftrittsweise eines Trainers kann man nicht sein.“

Stefan Effenberg schlug sich hingegen auf die Seite Klinsmanns. „Wenn sich einige im Verein über den zunehmenden Druck beschweren oder damit nicht umgehen können, dann kann ich das schwer nachvollziehen“, sagte der frühere Nationalspieler bei „t-online.de“

Die ersten Änderungen aus elf Wochen Klinsmann wurden bereits bei Hertha wieder zurückgedreht. Der vom Ex-Bundestrainer geschasste Torwarttrainer Zsolt Petry stand wieder auf dem Übungsplatz. „Es war keine Katerstimmung, aber auch keine Euphorie“, sagte der Ungar über die Atmosphäre im Team der Berliner. „Sie wissen, dass sie selber die Arbeit leisten müssen - unabhängig davon, wer da vorne steht.“ Petry, der Klinsmanns Sohn Jonathan 2018 unter anderem für mangelnde Körpersprache als Torhüter kritisiert hatte, war vom Weltmeister 1990 aus dem Trainerteam gestrichen worden.

Bei anderen Vereinen sorgten die Ereignisse in Berlin ebenfalls für Überraschung. „Ich habe das mit etwas Verwunderung aufgenommen, weil man das nicht voraussehen konnte“, sagte Sportdirektor Michael Zorc von Borussia Dortmund. Die Aufarbeitung des Klinsmann-Bebens wird auch bei der Konkurrenz genau beobachtet werden.