„Vamos a la playa“: Hertha feiert - Viel Arbeit für Bobic

„Vamos a la playa“: Hertha feiert - Viel Arbeit für Bobic

Jubel in Hamburg: Hertha BSC konnte den Abstieg doch noch abwenden. Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg (dpa) - Als Santiago Ascacibar mit einem großen Ghettoblaster aus der Hertha-Kabine marschierte und den Partysong „Vamos a la playa“ auf Volume 10 drehte, war Felix Magath schon verschwunden.

Mit Team-Doktor Hi-Un Park machte der Magier nach seinem Berliner Rettungswunder zum Abschied Erinnerungsfotos vor einer Bilderleinwand aus glorreichen Tagen mit seinem Konterfei im Hamburger Volksparkstadion. Der Trainer verpasste dadurch die imposante akustische Darbietung des argentinischen Antreibers.

„Fürchterliche Musik“, hatte da gerade Geschäftsführer Fredi Bobic zwischen den Zähnen hervorgepresst. Und überhaupt, was gäbe es zu feiern? Keinen Titel, keinen Pokal hatte Hertha BSC mit dem 2:0 beim Hamburger SV geholt, sondern nur die Relegation mit Mühe und Not und mit einer von den Wenigsten für möglich gehaltenen Leistungssteigerung nach dem 0:1 im Hinspiel noch überstanden.

„Ich hatte ein gutes Gefühl, dass der Plan greift. Das war wichtig, aber ganz ehrlich: Den ganzen Relegations-Mist braucht kein Mensch“, moserte Bobic auch am Sky-Mikrofon. Während sich Magath als großer Sieger mit einem üppigen Honorar und dem guten Gefühl, ein Experte für Rettungstaten zu bleiben bis zur nächsten Mission wo auch immer wieder von der Bundesliga-Bühne verabschiedet, beginnt für den 50-jährigen Bobic in Berlin nun die wirkliche Arbeit.

„Die Hertha soll endlich in ruhige Fahrwasser kommen. Wenn wir darüber reden, was wir alles falsch gemacht haben, dauert das zu lange“, befand Routinier Kevin-Prince Boateng.

In grundlegenden Dingen wollte sich der zuletzt schmallippige Manager Bobic von der Euphorie in Hamburg nicht anstecken lassen. Zigarren, wie noch bei Ex-Trainer Pal Dardai bei der letzten Klassenerhaltsparty vor einem Jahr, gibt es diesmal sicher nicht. Das machte Bobic auch bei seinem immer noch nervösen Hin- und Herlaufen in der Mixed Zone gleich klar. Magath hat sich das Rauchen nach eigenem Bekunden schon vor 40 Jahren abgewöhnt.

Der Trainer: Zweimal lag Bobic bei der Trainerwahl falsch. An Dardai hielt er erst ohne Überzeugung fest, um ihn dann ohne große Not zu beurlauben. Nachfolger Tayfun Korkut war zu soft für die raue Berliner Fußball-Luft. Notnagel Magath lieferte, ist jetzt aber wieder weg. Der nächste Trainer muss sitzen, sonst wird Bobic unglaubwürdig. Topkandidat soll Sandro Schwarz sein, der in Russland mit Dynamo Moskau am Sonntag gegen Spartak Moskau noch das Pokalfinale bestreitet. Danach könnte Bewegung in die Personalie kommen.

Die Vereinsführung: Nach Carsten Schmidt geht offenbar auch Ingo Schiller. Dann ist Bobic der letzte Geschäftsführer im Amt. Er braucht Entlastung an seiner Seite, über die kann aber nur das Präsidium entscheiden, und auch da steht ein Wandel an. Allseits wird mit dem Rücktritt von Chef Werner Gegenbauer gerechnet. Sonst könnte es am Sonntag zu einer demütigenden Abwahl des Club-Patrons bei der Mitgliederversammlung kommen. Das Szenario wäre dann, dass in wenigen Wochen ein neuer Präsident bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gekürt werden müsste.

Der Investor: Lars Windhorst gratulierte per Twitter. Der Millionen-Geldgeber bedankte sich vor allem bei Magath für die gute Arbeit. Mit dem Hertha-Establishment liegt er - mit Ausnahme von Bobic - über Kreuz. Der Vorwurf: Seine 375 Millionen Euro wurden nutzlos verbrannt. Jetzt will Windhorst mitreden und kündigt schonmal eine Ansprache bei der Mitgliederversammlung an. Ein Rückzug des Investors ist erstmal vom Tisch. Aber der Finanzfachmann wird sich nicht mehr abspeisen lassen und Einfluss nehmen wollen, so gut dass die Statuten zulassen.

Die Mannschaft: Bobic hat einen harten Schnitt angekündigt. Bislang lag er mit seinen Transfers oft arg daneben. Erstmal muss er auch Spieler loswerden und außer Niklas Stark hat noch keiner seinen Abschied verkündet. Die Verträge sind überwiegend ordentlich dotiert. Bobic muss also Abnehmer finden, wenn er den Kader erneuern will. Boateng hat schon gesagt, dass er gerne noch bleiben würde. Spannend wird, wie Bobic die Personalie um Torwarthoffnung Marcel Lotka löst, der einen Vertrag bei Hertha und bei Borussia Dortmund hat. Viel Arbeit wartet, von jetzt an ohne Retter Magath an der Seite.

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