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Kroos forsch: „Sind ja keine Gurkentruppe“

Donnerstag, 11. Oktober 2018 - 16:01 Uhr

von Von Klaus Bergmann und Jens Mende, dpa

Toni Kroos fordert Siege in Niederlande und Frankreich. Foto: Jens Büttner

Berlin (dpa) - Über den Stellenwert der Nations League wird intensiv gestritten. Fest steht: Einen Abstieg können sich die DFB-Kicker und auch Löw nicht leisten. Toni Kroos schmiedet gegen Holland und Frankreich einen mutigen Sechs-Punkte-Plan. Ein Ex-Kapitän zweifelt am Coach.

Nur nicht verlieren? Nichts da. Das WM-Desaster ist für eine Führungskraft wie Toni Kroos noch lange kein Grund für eine neue Bescheidenheit vor den knackigen Auswärtsaufgaben in der Nations League.

„Die Duelle Holland gegen Deutschland, Frankreich gegen Deutschland klingen gut im Ohr. Wir sind motiviert und streben sechs Punkte an“, sagte der Champions-League-Sieger von Real Madrid. Die forschen Töne überraschten, zumal Teammanager Oliver Bierhoff vor dem heißen Länderspiel-Doppelpack in der neuen Nationenliga, deren Sinn Vereinstrainer und Bundesliga-Bosse heftig bestreiten, sogar die drohende Abstiegsgefahr angesprochen hatte. Den selbstbewussten Kroos ficht das nicht an: „Wir sind ja jetzt auch keine Gurkentruppe. Wenn es am Ende mit einer vernünftigen Leistung vier Punkte werden, dann ist es so. Aber wir streben vorher an, die Spiele zu gewinnen. Daran ändern auch drei Spiele bei einer WM, die nicht ideal waren, nichts“, verkündete der 28-Jährige in Berlin.

Die forsche Herangehensweise kommt zunächst am Samstagabend (20.45 Uhr) in der stimmungsvollen Johan-Cruyff-Arena von Amsterdam gegen den Fußball-Erzrivalen Niederlande auf den Prüfstand. „Es wird vielleicht nicht so eine Schlacht wie früher, aber Deutschland gegen Holland ist immer ein brisantes Spiel“, bemerkte der 22 Jahre junge Leipziger Timo Werner mit Blick auf das Prestigeduell mit großer Historie. Die Holländer befinden sich noch krasser im Neuaufbau.

Trotzdem mahnte Jonas Hector vor einer Fehldeutung der Ausgangslage. „Man darf nicht mit dem Wissen reingehen, okay, die Holländer haben zuletzt zwei Turniere verpasst, und das wird ein Kinderspiel“, sagte Hector vor der DFB-Reise ins Ungewisse. Der Außenverteidiger hat mit dem 1. FC Köln gerade erst den Abstieg in die 2. Liga erlebt. Dieses bittere Szenario soll sich mit dem Nationalteam nicht wiederholen.

Eine Niederlage würde die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw vor der Anschlussprüfung in Paris gegen den Weltmeister der akuten Gefahr aussetzen, in Europa als Gruppenletzter aus dem Kreis der zwölf Topnationen in die League B abzustürzen. Löw äußerte entsprechend Respekt vor der Kraftprobe mit dem runderneuerten Oranje-Team ohne Altstars wie Arjen Robben oder Wesley Sneijder (beide 34). „Es sieht so aus, als hätten die Holländer ihre Durststrecke überwunden. Und wir sind uns natürlich der Schwere der Aufgabe bewusst“, sagte Löw.

Die schmerzhafte Zuschauerrolle bei der EM 2016 und der WM 2018 stachelt die Niederländer an. Duelle mit dem Nachbarn Deutschland liefern seit eh und je einen Schuss Extramotivation. Das 1:1 von Ajax Amsterdam gegen den FC Bayern in der Champions League gilt zudem nicht nur als Warnschuss für die Nationalspieler aus München. „Wir haben bei dem Spiel gesehen, dass die Holländer wieder im Aufwind sind. Wir sind gewarnt“, sagte Teammanager Bierhoff.

Zwei Oktober-Pleiten würden zudem neue Diskussionen um Löw und auch um dessen konsequentes Festhalten an den in Russland abgestürzten 2014-Weltmeistern heraufbeschwören. Kapitän Michael Ballack trat schon vor den Länderspielen aus der Deckung. Löws ehemaliger Kapitän traut dem seit 2006 amtierenden Bundestrainer die Rolle als Erneuerer der Nationalmannschaft nicht zu.

„Ich war wie viele andere Leute auch überrascht, dass er seinen Job behalten hat“, sagte der 42-Jährige der Deutschen Welle: „Er hat lange mit dem Team gearbeitet. Irgendwann muss man sich doch eingestehen, dass die Dinge nicht mehr funktionieren, wenn jemand so lange mit einer Mannschaft zusammenarbeitet wie er.“

Kroos tat Ballacks deutliche Kritik „als eine Wortmeldung mehr“ ab und konterte dann: „Neue Reize können auch vom selben Trainer kommen. Ich bin überzeugt, dass wir die Kurve mit Jogi Löw kriegen.“

Der Bundestrainer muss Kritiker wie Ballack mit Leistung und vor allem positiven Ergebnissen überzeugen. Am Donnerstag konnte Löw in Berlin erstmals mit dem kompletten Kader trainieren. Am Freitag fliegt der DFB-Tross nach Amsterdam, wo auch das Abschlusstraining stattfindet. Die taktische Marschroute verriet Kroos schon mal. Ziel sei zunächst, „gegen große Nationen wieder kompakter zu spielen“.

Kroos begrüßt dabei die Versetzung von Bayern-Profi Joshua Kimmich vom rechten Außenverteidigerposten ins defensive Mittelfeld. „Es hat mit dem Jo zweimal gut geklappt auf der Sechs. Das ist ein gutes Modell.“

Löws Assistent Marcus Sorg benannte ein zentrales Auswahlkriterium für die Startelf in den Niederlanden: „Da brauchen wir Spieler mit Erfahrung.“ Ein starker Bayern-Block plus Kroos soll ein stabiles Gerüst ergeben. „Wir versuchen, die zwei Spiele zur weiteren Verbesserung zu nutzen“, sagte der neue Rechtsverteidiger Matthias Ginter. Kroos hat die Messlatte jedenfalls extrem hoch gelegt: Sechs Punkte sind das Wunschergebnis, vier die Minimalzielsetzung.

Die mögliche Aufstellung:

Neuer - Ginter, Boateng, Hummels, Hector - Kimmich - Rudy, Kroos - Müller, Werner, Draxler

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