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Losglück: Höwedes „nur eine Halbzeit von daheim entfernt“

Montag, 16. September 2019 - 13:50 Uhr

von Von Holger Schmidt, dpa

Benedikt Höwedes hatte sich in Sotschi eine Platzwunde über dem linken Auge zugezogen. Foto: Dmitry Feoktistov/TASS

Moskau (dpa) - Im Vorjahr Schalke, nun Leverkusen und dann auch noch Turin. Die Champions League bietet für Benedikt Höwedes ständig Reisen in die Vergangenheit. Diese genießt er. Und auch seinem neuen Leben im Ausland kann er inzwischen viel abgewinnen.

Die zentimeterlange, frisch genähte Narbe direkt über dem linken Auge sieht fies aus. Die Bilder mit blutüberströmtem Kopf und riesigem Turban wirkten ebenfalls schockierend. Doch die Dienstreise in die Heimat lässt sich Benedikt Höwedes dadurch nicht verbieten.

„Ich will spielen“, sagt der 31-Jährige vor dem Champions-League-Spiel mit Lokomotive Moskau bei Bayer Leverkusen am Mittwoch (21.00/DAZN) im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Und er wolle „jede Chance nutzen, in die Heimat zu reisen, um meine Familie in Haltern am See zu treffen.“ Auch mit lädiertem Gesicht: Beim 1:0 in Sotschi hatte sich der Verteidiger am Wochenende die fiese Platzwunde zugezogen.

Leverkusen, so ergänzt Höwedes schmunzelnd, „ist zum Glück nur eine Halbzeit mit dem Auto entfernt“. Wenn auch eine mit langer Nachspielzeit. 95 Kilometer liegen zwischen beiden Städten, eine Stunde braucht man normalerweise. Höwedes flog nach Deutschland, eine Entscheidung über einen Einsatz will Trainer Juri Sjomin am Spieltag treffen.

Schon im Vorjahr bescherte das Losglück Höwedes ein Europacup-Spiel in Deutschland. Damals ausgerechnet beim FC Schalke 04. Seinem Verein, für den er 16 Jahre gespielt hat und den er am liebsten bis zum Karriereende nicht verlassen hätte. „Das war ein Spiel, bei dem ich oft zweimal schauen musste, dass ich nicht den falschen Mann anspiele oder fast aus langjähriger Gewohnheit in die Heimkabine gelaufen wäre“, sagt Höwedes in Erinnerung an die 0:1-Niederlagen im Vorjahr. Der Vorteil am Spiel gegen Leverkusen sei, „dass es emotional nicht so vorbelastet ist“. Dafür trifft er auch noch auf Juventus Turin, seinen ersten Club im Ausland.

In Italien habe er „trotz meiner langwierigen Verletzung ein tolles Jahr“ gehabt, sagt Höwedes. Insgesamt hat der 44-malige Nationalspieler sowieso seinen Frieden geschlossen mit dem unfreiwilligen Abschied auf Schalke. Er fühlt sich wie Toni Schumacher, der kürzlich erklärte, ihm sei bei seinem Zwangsabschied 1987 beim 1. FC Köln das Herz gebrochen worden. „Aber im Rückblick muss er sagen: Ich habe dadurch Länder, Menschen und Einblicke kennengelernt, die mir mit seiner rot-weißen Brille sonst verwehrt geblieben wären.“ Treffend sei das, so Höwedes, „absolut“.

Natürlich verfolgt er die Königsblauen weiter ganz genau. Detailliert äußern will er sich nicht. „Was Schalke jetzt braucht, ist Konstanz und Ruhe. Und keinen Ex-Spieler, der aus Russland heraus Tipps gibt“, sagt er. Er sei aber „zuversichtlich, dass Jochen Schneider und David Wagner genau dafür sorgen und den Verein wieder in sichere Regionen bringen. Langfristig muss ein Verein wie Schalke aber auch wieder europäisch spielen. Das ist man den Fans und Umfeld schuldig.“

Dass die beiden, die ihn aus dem Verein trieben, Trainer Domenico Tedesco und Manager Christian Heidel, nicht mehr da sind, erfüllt ihn „überhaupt nicht“ mit Genugtuung, wie er versichert: „Im Fußball gibt es immer wieder Gründe für eine Trennung. Das, was ich damals nicht verstanden habe, war die Art und Weise der Kommunikation.“ Eine Rückkehr sei angesichts eines Vertrages bis 2022 aktuell kein Thema, für die weite Zukunft aber „eine von mehreren Optionen. Aber es gibt auch Gedanken, dass ich mich mittelfristig noch stärker in gesellschaftlichen und sozialen Themen engagiere.“

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